Ich erinnere mich noch gut. Ich lief durch die Straßen Kalkuttas und plötzlich sah ich ihn. Den Altar eines Hindu-Gottes. Die Statue zeigte den Gott wie er einem Kind den Kopf abbiss.
Was für ein grausamer Gott der Babies die Köpfe anbeißt. Das würde der Gott der Bibel nie tun. Oder doch? Der Gott den wir im Alten Testament finden ist dem erwähnten Hindu-Gott leider oft ähnlicher als uns lieb ist. In 5. Mose 7:1-2 gebietet Gott seinem Volk alle Bewohner Kanaans auszurotten, das Wort welches hier gebraucht wird ist „חָרַם ḥâram“. Das Wort bedeutet, dass die Israeliten Gott anbeten sollten und ihm ein Opfer bringen sollten indem sie alle Kanaaniter ausrotteten ohne auch nur einen Funken Gnade zu zeigen. Ist das der wahre Charakter Gottes? Ein Gott der angebetet werden will durch das Abschlachten ganzer Völker? In unseren Kirchen hören wir immer wieder, dass Gott gut ist. Aber wie können wir so einen brutalen Gott gut nennen? Wäre diese Stelle nicht aus der Bibel sondern in einem anderen religiösen Buch würden wir so ein Gottesbild sofort harsch verurteilen. Wie können wir nun den oft brutalen, rachsüchtigen und grausamen Gott den wir im AT finden mit Jesus zusammenbringen, der Vergebung und Feindesliebe gelehrt und gelebt hat? Wir als Christen brauchen gute Antworten auf solche wichtigen Fragen, ansonsten kann es sein, dass wir Gott sehr schnell falsch repräsentieren. Dieser Artikel will versuchen eine Antwort für das Problem zu geben.
Im Johannesevangelium sagt Jesus fünfmal (8:19; 8:55; 15:21; 16:3; 17:25) zu seinen jüdischen Zuhörern, dass sie „den Vater“ nicht kennen. Wie krass ist das denn? Obwohl die Juden das Volk Gottes waren und stolz darauf waren das AT genau zu kennen besteht Jesus darauf, dass sie doch den wahren Charakter Gottes nicht kennen. Aber Jesus gibt auch direkt eine Antwort für das Problem: Jesus zu kennen bedeutet Gott zu kennen (8:19). Jesus ist die klarste Offenbarung Gottes und er allein ist die höchste Offenbarung darüber wie Gott wirklich ist. In 1. Johannes 5:20 lesen wir, dass Jesus gekommen ist damit wir wissen können wie Gott wirklich ist. Hebräer 1:3 stellt klar, dass Jesus das exakte Ebenbild von Gottes Wesen ist. Auch 2. Korinther 4:4 und Kolosser 1:15 beschreiben Jesus als das Ebenbild Gottes. Wenn Jesus die klarste Offenbarung Gottes an uns Menschen ist, dann müssen wir jeden Charakterzug den wir Gott zuschreiben durch diesen Jesus-Filter gehen lassen. Gottes Wesen ist nie anders als im Leben Jesu offenbart. Demnach müssen wir alle Bilder Gottes als unwahr verwerfen die nicht jesuskonform sind.
Was bedeutet dies nun für die vielen Stellen im AT die Gott brutal und rachsüchtig darstellen? Durch Jesus wissen wir, dass Gott vergibt und sogar seine Feinde liebt. Jesus hat uns die selbstlose Liebe Gottes gelehrt und demonstriert am Kreuz. Wie passt das nun mit den Stellen im AT zusammen?
Das brutale Gottesbild welches wir häufig im AT finden ähnelt sehr häufig dem Gottesbild anderer lokaler Götzen der damaligen Zeit. Weil Gott Liebe ist zwingt er uns die Wahrheit nicht auf oder überschreibt ungefragt unsere falschen Konzepte von ihm. Viel mehr beeinflusst er uns kontinuierlich Richtung Wahrheit und verändert unser Denken in dem Maße indem wir uns ihm öffnen und uns auf ihn einlassen. Das bedeutet, dass unser Gottesbild immer von kulturellen und biografischen Faktoren geprägt sein wird, der Heilige Geist aber kontinuierlich unser Denken erneuert, wenn wir ihn suchen. Das brutale Gottesbild welches wir im AT finden war normal in dieser Zeit. Gott war schon immer gegen Gewalt und liebevoll, aber die Menschen konnten es damals einfach noch nicht verstehen, weil sie so von den Vorstellungen ihrer Zeit konditioniert und beeinflusst waren, dass ein gewaltfreier Gott undenkbar war. Ich denke es war nie Gottes Plan, dass die Israeliten die Kanaaniter abgeschlachtet haben. Gott sagt sogar ganz klar, dass er die Kanaaniter vielmehr selbst, Stück für Stück, aus dem Land vertreiben wird (Exodus 23:27-28). Sein Plan war also nicht der Tod der Kanaaniter, sondern sie durch „die Hornisse/Angst“ in ein anderes Land zu vertreiben, so dass Israel gewaltfrei in das verheißene Land Stück für Stück einziehen konnte. Wer jetzt denkt, dass selbst dies ungerecht ist, der bedenke, dass Gott die Kanaaniter erst vertrieb als ihr Fehlverhalten ein kritisches Level erreichte (Genesis 15:16). Dies deutet für mich darauf hin, dass er auch die Kanaaniter geliebt hat und sich Buße von ihnen gewünscht hat. Aber als keine Buße kam musste er sie aufrütteln durch ein Gericht, so wie er es auch immer wieder mit Israel getan hat. Die Israeliten haben allerdings die Krieger-Gottesbilder der Völker um sie herum übernommen. Damals wurde geglaubt, dass ein Gott dadurch geehrt wird, indem man in seinem Namen Krieg führt und er dann den Sieg bringt und dadurch seine Macht zeigt. Und genau, dass haben die Israeliten (traurigerweise) übernommen. Gott hat gesagt „Ich werde die Kanaaniter selbst aus dem Land vertreiben“, aber das konnten die Israeliten nicht akzeptieren und haben deshalb selbst Gott den Befehl des Massenmords in den Mund gelegt um durch das Abschlachten der Kanaaniter Gott so zu ehren, wie es ihrem Verständnis nach richtig war.
Gott war schon immer so, wie Jesus ihn uns offenbart hat. Gott war nie anders als Jesus. Dies müssen wir als wichtigen Eckstein in unserer Theologie verankern.