Das Gleichnis Jesu von den Schafen und Böcken (Mt. 25, 31ff.)wird oft als Schlüsselvers dafür angeführt, dass es eine ewige Hölle gibt. Wenn man die Verse aber genau betrachtet und nicht nur oberflächlich liest, dann entdeckt man, dass dies unbegründet ist. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Verse geben Hoffnung auf eine zukünftige Versöhnung aller Menschen mit Jesus.
Zuerst ein grundsätzliches Wort zu Gleichnissen:
Gleichnisse waren dazu da einen Hauptpunkt zu kommunizieren. Diese Pointe war das, was kommuniziert werden sollte und das Gleichnis drum herum diente dazu diese Pointe zu illustrieren. Deshalb muss man bei jedem Gleichnis zuerst überlegen, was die Kernaussage war und diese im Fokus behalten. Die Details um die Kernaussage herum können relevant sein, aber man sollte keine dogmatischen Aussagen darauf aufbauen, sonst können gefährliche Irrlehren entstehen, wie das vorliegende Gleichnis verdeutlichen wird. Die Kernaussage von den Gleichnissen, welche Jesus erzählte, war meistens eine ganz praktische Lehre für das jetzt und hier (z.B. betet beharrlich; verzeiht einander; helft, wenn ihr Leute in Not seht usw.) und nicht eine Erklärung davon was in der Zukunft geschehen wird.
Was war die Kernaussage des Gleichnisses von den Schafen und den Böcken?
Wollte Jesus damit einen Einblick in das zukünftige Gericht geben? Wohl eher nicht, weil dann hätte er nicht so abrupt mit V.46 aufgehört, sondern diese Aussage noch weiter erläutert. Weiterhin entsteht ein theologisch großes Problem, wenn dieses Gleichnis als dogmatische Lehre für das zukünftige Gericht verstanden wird. In dem Gleichnis ist der entscheidende Maßstab des Urteils nicht darauf gerichtet, was geglaubt wurde oder wer Jesus nachgefolgt ist und wer nicht, sondern der Maßstab ist allein die Barmherzigkeit die gezeigt wurde und das Maß in dem den Geringsten geholfen wurde. Wer dieses Gleichnis als dogmatische Aussage über das Endgericht verstehen will, muss dies dann auch konsequent tun. Die Konsequenz davon wäre dann „Rettung durch Werke der Barmherzigkeit“ und nicht die „Rettung durch Jesus allein“. Die Schafe sind nicht die, die Jesus nachgefolgt sind, sondern die, die Barmherzigkeit den Geringsten gegenüber gezeigt haben. Dies würde viele Menschen für das ewige Leben qualifizieren die Jesus ablehnen, aber barmherzig den Armen helfen und es würde viele Christen für das ewige Leben disqualifizieren!
Demnach ist zu vermuten, dass die Kernaussage des Gleichnisses nicht eine Lehre über das Endgericht ist. Vielmehr ist die Pointe Jesu, dass er sich mit den Geringsten identifiziert und Werke der Barmherzigkeit und den Dienst am Geringsten in den Fokus der Jüngerschaft stellt. Jesus, der König über alle Könige, vergisst die Armen, die Kranken, die Außenseiter, die, die in dieser Welt als wertlos angesehen werden nicht! Er sieht sie und fordert seine Nachfolger auf, seine Hände und Füße zu sein und diesen Geringsten zu dienen. Darum geht es in diesem Gleichnis.
Aber wieso deutet das Gleichnis nun eine Versöhnung aller Menschen mit Jesus an?
Vers 46 hat deutlich mehr zu sagen als die meisten Bibelübersetzungen erkennen lassen.
Das griechische Wort „aionios“ (das hebräische Pendant ist „olam“) welches fälschlicherweise mit „ewig“ übersetzt wird kommt von dem Wort „aion“ welches so viel wie „Zeitalter“, „Epoche“ oder „Ära“ bedeutet. Das Wort „aion“ kommt ganz oft in der Bibel vor und kann ganz unterschiedlich lange Zeiträume bedeuten. Die Länge des Zeitraums ist abhängig vom Kontext in dem das Wort gebraucht wird. Hier einige Beispiele, die klar machen, dass „aionios/olam“ nicht „ewig“ bedeutet, sondern einen unterschiedlich langen Zeitraum beschreibt und keinesfalls immer “ewig andauernd” bedeutet.
- Hat Gott ewig (olam) im Tempel von Salomon gewohnt? Nein, natürlich nur bis der Tempel zerstört wurde. (2.Chr.7,16; 1.Kön.8,13; 9,3)
- Sollen Tieropfer wirklich Gott ewig (olam) dargebracht werden? Nein, natürlich nur bis zu Jesu endgültigem Opfertod (2.Chr.2,4; Hebr.7,11-10,18)
- War Jonah ewig (olam) im Fisch (Jona 2,6)? Nein, nur 3 Tage (Jona 1,17).
- Sind es die Söhne dieses Zeitalters oder dieser Ewigkeit die heiraten (Lu.20,34)?
- Ist der Satan der Gott dieses Zeitalters oder der Ewigkeit (2.Kor.4,4)?
- Ist dieses böse Zeitalter, von dem Gott uns gerettet hat, ewig oder zeitlich begrenzt (Gal.1,4)?
„Aionios/olam“ kann demnach eine sehr unterschiedlich lange Zeitspanne beschreiben. Die Dauer dieses Zeitabschnitts ist abhängig vom Kontext; von dem Wort welches als “ewig” (aionios) beschrieben wird. Der Kontext beschränkt „aionios“ sehr oft auf einen Zeitabschnitt mit Anfang und Ende.
Wichtig zu beachten ist, was „aionios“ bedeutet, wenn Gott selbst der Kontext ist: Gott, sein Leben und sein Königreich allein sind ewig. Deshalb wird „aionios“ ausschließlich in Verbindung mit Gott (wenn es ihn, sein Leben oder sein Reich charakterisiert) tatsächlich zu „ewig“.
Zurück zu Mt.25,46:„Und diese werden hingehen zur ewigen (=aionios) Strafe (=kolasis), die Gerechten aber in das ewige Leben.“
Wie kann man diesen Vers verstehen?
Im NT gibt es ein griechisches Wort für „retributive Strafe“ (Vergeltung): timōria. Dieses Wort wurde hier in Vers 46 bewusst nicht benutzt. Um den Vers richtig zu verstehen, müssen wir das griechische Wort für “Strafe” (Kolasis), welches hier verwendet wurde, korrekt übersetzen. „Kolasis“ wurde ursprünglich für das Beschneiden von Bäumen, damit diese mehr Frucht tragen, verwendet. „Kolasis“ war also eine Strafe, die im Interesse dessen der bestraft werden sollte, auferlegt wurde. Das bedeutet, eine „Kolasis-Strafe“ hatte immer das Gute des zu Bestrafenden im Sinn.
William Barclay* kommentiert, dass Kolasis in der säkularen griechischen Literatur ohne Ausnahme für “rehabilitierende Strafe” verwendet wird.
Kolasis war also eine rehabilitierende Strafe. Die Strafe an sich war nicht das Ziel, sondern der Weg eine Besserung herbei zu führen. Kann so eine Strafe ewig andauernd sein? Nein, weil dann wäre es eine retributive Strafe und keine rehabilitierende Strafe. Die Rede ist hier von einer “ein Zeitalter andauernden” (aionios) Strafe (kolasis), die einen reinigenden und rehabilitierenden Charakter hat. Wie lange dieser Prozess dauern wird wissen wir nicht. Aber er wird ein Ende haben, wenn das Ziel erreicht ist.
Bedeutet dies, dass das ewige Leben auch nur begrenzt ist? Nein, tut es nicht. Wie bereits oben erwähnt, ist die Länge von „aionios“ von dem Wort abhängig welches es charakterisiert. Eine rehabilitierende Strafe kann per Definition nicht ewig andauernd sein, weil dann wäre sie nicht rehabilitierend. Aber das Leben welches Gott schenkt ist ewig andauernd, weil es kommt von Gott, der ewig ist. Titus 1,2 ist ein weiterer Vers in dem das “ewige (aionion) Leben” erwähnt wird und aionion ein zweites Mal vorkommt und nicht “ewig andauernd” bedeutet.
Es ist zu beachten, dass dies die Warnung Jesu nicht weniger bedeutsam macht. Auch wenn es sich um eine zeitlich begrenzte Strafe handelt, bleibt es doch eine ernstzunehmende Warnung vor einem schmerzhaften Prozess der Reinigung und Rehabilitierung!
Gott wird die „Böcke“ in eine zeitlich begrenzte Strafe schicken, damit sie geläutert werden, ihre Strafe bekommen und rehabilitiert daraus wieder hervorkommen. Dadurch wird die “Hölle”, die Strafe, ein Symbol seiner Gerechtigkeit, seiner Gnade und Liebe. Er ist der Gott, dessen Liebe niemals aufhört und der das Böse nicht ewig nachträgt.
*Barclay, A Spiritual Autobiography, 66.
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